Frauen Union Frankfurt am Main

Die Geschichte der Frauen-Union

Die Geschichte der Frauen Union ist die Geschichte von progressiven Vordenkerinnen, pragmatischen Entscheiderinnen und kreativen Gestalterinnen, von politischer Einflussnahme, richtungweisenden Beschlüssen und zukunftgewandten Gesetzen, von Entschlossenheit, Mut und Power.

„Der wachsende Einfluss der Frauen
ist das einzig Beruhigende an unserem politischen Leben.“
(Oscar Wilde)

 

Die Anfänge
(1948 –1957)

„Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker.“
(Helene Weber)

Die Geschichte der Frauen Union reicht weit zurück. Eingebettet in die Entwicklung der Frauenbewegung in Deutschland finden sich ihre geistigen Wurzeln in der bürgerlich-christlichen Frauenbewegung, die im Zuge der allgemeinen Freiheitsbewegung um 1848 entsteht.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wollen die Frauen in der CDU selbst für ihre Rechte und politischen Ziele eintreten und gleichzeitig einen Beitrag zur Lösung der großen Aufgaben leisten: zum Wiederaufbau Deutschlands, zur Festigung der Demokratie und zur Sicherung des Friedens.

In allen Besatzungszonen zählen Frauen zu den Mitbegründern der christlich demokratischen Parteien, in denen sie sich in Arbeitsgemeinschaften organisieren. Unter dem Vorsitz von Christine Teusch kommt es 1946 in der britischen Besatzungszone zur ersten überregionalen Vereinigung.

Der erste Zusammenschluss der regionalen CDU-Frauenausschüsse auf Bundesebene findet am 1.Mai 1948 statt. An diesem Tag konstituiert sich im Hotel Monopol in Frankfurt die „Frauenarbeitsgemeinschaft der CDU/CSU Deutschlands“. Unter den Teilnehmerinnen sind Helene Weber, Luise Rehling, Margarete Gröwel, Christine Teusch, Maria Probst und Stephy Roeger. Sie sind Vertreterinnen der CDU-Landesverbände und Mitglieder der Frauenausschüsse der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone; die CDU-Frauen der sowjetischen Zone sind nicht dabei. Seit der Gründung des SED-gesteuerten Demokratischen Frauenbundes geraten sie zunehmend unter Druck. Vorsitzende der neuen Organisation wird Helene Weber, die schon damals eine angemessene Beteiligung der Frauen an Ämtern und Mandaten fordert:

„Lassen Sie mich noch einmal sagen: Würdigt die Frauen! Stellt sie in die Verantwortung, damit sie der Partei auch nützen können.“

Die Frauenarbeitsgemeinschaft setzt sich für die Lösung der Nachkriegsprobleme ein, macht sich für die politische Schulung von Frauen stark und leistet wertvolle Vorarbeit für den Parlamentarischen Rat, dem Helene Weber angehört. Die Stichworte Gleichberechtigung der Frau, Lastenausgleich und Elternrecht markieren einige der Themenschwerpunkte.

Im Oktober 1950 wird die CDU als Bundespartei gegründet, die in ihrem Parteistatut bereits eine angemessene Berücksichtigung der Frauen in allen Parteigremien vorsieht. Auf dem Parteitag der CDU in Karlsruhe am 22./23. September 1951 konstituiert sich unter der Leitung von Margarete Gröwel der „Bundesfrauenausschuss der CDU“ und trennt sich damit organisatorisch von den Frauen der CSU. Fortan - bis 1969 - wird der Bundesfrauenausschuss und später die Frauenvereinigung aus Gründen des konfessionellen Proporzes von je einer katholischen und einer evangelischen Vorsitzenden geleitet. Zunächst übernehmen Helene Weber als katholische und Maria Eichelbaum als evangelische Vorsitzende das Amt. Die Ziele ihrer Arbeit umreißt Helene Weber so:

„Der Bundesfrauenausschuss sieht seine politische Aufgabe nicht in einer isolierten Arbeit, sondern in dem gemeinsamen Wirken von Mann und Frau im Rahmen der Partei. Seine Tätigkeit erstreckt sich auf alle Gebiete des öffentlichen Lebens. Sein Ziel ist die wirksame Unterstützung der großen Ideen unserer Partei: (...)“

Margarete Gröwel legt die Messlatte noch höher:

„Die Frauen der CDU müssen eine geistige Metropole werden. Möge die Arbeit des Frauenausschusses in alle anderen Ausschüsse hineinstrahlen.“

Im Mittelpunkt der Arbeit des Bundesfrauenausschusses stehen in den 50er Jahren die wirtschaftliche und rechtliche Gleichstellung der Frau, die Korrektur des Lohnsystems, die Reform des Sozialversicherungswesens sowie bereits Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Solidarität mit den „Schwestern“ in der sowjetischen Besatzungszone und deren Unterstützung, beispielsweise durch Brief und Paketaktionen, haben zudem Priorität. Aber auch die Situation der Frauen innerhalb der CDU, ihre geringe Beteiligung an Ämtern und Mandaten und die Verbesserung des Informationsflusses zwischen den CDU-Frauen sind Themen im Bundesfrauenausschuss. Im Januar 1955 erscheint erstmals die Zeitschrift „Frau und Politik“ - ein eigenes Organ der Unionsfrauen.

Bei Vorstandswahlen im Mai 1956 wird Helene Weber im Amt bestätigt und Hedwig Jochmus als evangelische Vorsitzende und Nachfolgerin von Margarete Schuckert, die zwei Jahre dem Frauenausschuss vorstand, neu gewonnen. Auf dem Bundesparteitag der CDU in Stuttgart im gleichen Jahr wird die Umbenennung des Bundesfrauenausschusses in „Frauenvereinigung der CDU“ beschlossen, deren Aufbau der Struktur der Partei angepasst wird. Alle weiblichen CDU-Mitglieder werden automatisch Mitglieder der Frauenvereinigung. Auf der Sitzung des Bundesfrauenausschusses am 24./25. November 1956 in Königswinter wird die Satzung der Frauenvereinigung verabschiedet.

Die Diskussionen der Unionsfrauen zur Gleichstellung der Frau und zum Familienrecht finden ihren Niederschlag in der Einführung der Witwenrente (1949), im Mutterschutzgesetz (1952), in der Einführung des Kindergeldes (1955) oder im Verbot von Frauenlohngruppen (1957). Aber auch das erste Gleichberechtigungsgesetz von 1957, das u.a. das Letztentscheidungsrecht des Mannes in Familienangelegenheiten und sein Kündigungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber der Frau streicht, trägt die Handschrift der CDU-Frauen.

Ausbau der Organisation
(1958 –1970)

„Das politische Amt, die aktive politische Mitarbeit der Frau als praktische Selbstverständlichkeit, das auf allen Ebenen zu erreichen, hängt nicht nur von der Großzügigkeit der Männer allein ab, sondern wird in hohem Maße von uns selbst bestimmt.“
(Aenne Brauksiepe)

Im 8./9. November 1958 findet in Königswinter der erste Bundesdelegiertentag der Frauenvereinigung statt, auf dem sich die „Bundesvereinigung der Frauen der CDU“ konstituiert. Aenne Brauksiepe wird zur katholischen Vorsitzenden der Frauenvereinigung gewählt. Sie behält dieses Amt bis 1971; zunächst neben den evangelischen Vorsitzenden Hedwig Jochmus (bis 1966) und Charlotte Fera (bis 1969), ab 1969 dann als alleinige Vorsitzende.

Obwohl die CDU ihre Wahlerfolge von 1949, 1953 und 1957 letztlich dem Abstimmungsverhalten der Frauen zu verdanken hat, ist es den Unionsfrauen bis dato nicht gelungen, ihre Forderung nach einem weiblichen Kabinettsmitglied durchzusetzen. Erst 1961 – nach massivem Druck von Helene Weber, Aenne Brauksiepe u.a. auf Bundeskanzler Konrad Adenauer – wird Elisabeth Schwarzhaupt Gesundheitsministerin und erzielt damit einen entscheidenden Durchbruch für die Frauen. Dennoch sitzt die Enttäuschung darüber, dass die Berufung einer Frau noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, tief:

„Also übernahm ich ein Ministerium, das es noch gar nicht gab, in dem Bewusstsein, eine von meinen Kolleginnen schwer erkämpfte Alibifrau zu sein.“

Unter Aenne Brauksiepe, deren persönliches Engagement neben der Frau in der Familie vor allem auch dem Themenbereich „Frau und Arbeitswelt“ gilt, wird die Arbeit der CDU-Frauenvereinigung neu organisiert und gestrafft. Mit der Einrichtung von Arbeitskreisen und Fachausschüssen, dem Erfahrungsaustausch mit anderen Verbänden und Organisationen, die gleiche oder ähnliche Ziele verfolgen, und der Kontaktpflege zur Presse bringt sie den inneren Ausbau voran. Zudem werden vermehrt Frauenseminare zur politischen Bildung angeboten und der internationale Kontakt, vor allem zur Europäischen Frauen Union, ausgebaut. In Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung Berlin werden gesamtdeutsche Studientage und Berlin-Informationsfahrten durchgeführt.

In die Amtszeit Brauksiepes fallen auch die ersten von der CDU veranstalteten Kongresse für Frauen: Unter dem Motto „Frau und Arbeitswelt morgen“ steht eine große Veranstaltung im Dezember 1964 in Bochum; ihr folgt fünf Jahre später der Kongress „Die Frau im Spannungsfeld unserer Zeit“ in Ludwigshafen. Am Ende der Bochumer Tagung erklärt Aenne Brauksiepe:
„Ein solcher Kongress ist aber sicherlich der geeignete Ort, einer großen Partei, der Regierungspartei, sachlich, fundiert, weder unter- noch übertrieben vorzutragen: Wie viel Vorurteile und überholte Methoden für Millionen von Frauen, die im Beruf stehen, noch abzubauen sind. Vorzutragen, dass das Bild, das sich die Partei und die Gesellschaft von der Frau macht, längst nicht immer zu den Anforderungen passt, die die gleiche Gesellschaft heutzutage an die Frau stellt!“

Aenne Brauksiepe thematisiert damit erstmals die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Norm und den Wünschen der Frauen für ihre eigene Lebensgestaltung. Sie fordert das Recht der Ehefrau auf persönliche und berufliche Selbstbestimmung.

Die Diskussionen zum Thema „Frau und Arbeitswelt“ werden auf dem Bundesparteitag der CDU 1965 in Düsseldorf fortgesetzt, wo Helmut Kohl als Berichterstatter eines Arbeitskreises zum Wandel der Stellung der Frau eine größere Gewichtung der Frauen in der Partei fordert:

„Welche patriarchalischen Vorstellungen bezüglich des Verhältnisses der Frau in der Politik herrschen bei uns noch. (...) Mir scheint, in diesen Fragen ist ein Abbau von Tabus im Gange, wozu ich die Frauen, die Verantwortung tragen, nur beglückwünschen kann. Es genügt aber nicht, dass das nur im Getto eines solchen Ausschusses geschieht!“

Die Frauenvereinigung, deren Anerkennung innerhalb der CDU durch das Engagement ihrer führenden Persönlichkeiten stetig wächst, stößt Themen an und bringt Initiativen und Stellungnahmen zu Parteiäußerungen und Programmen ein. In dem 1968 verabschiedeten sog. „Berliner Programm“ greift die CDU Aussagen über die gleichwertige Mitverantwortung der Frau sowie zu Berufstätigkeit und Teilzeitarbeit auf. 1969 wird erstmals der Anspruch nicht erwerbstätiger Frauen auf berufliche Bildung, Weiterbildung und den Wiedereinstieg ins Berufsleben in ein Gesetz aufgenommen.


Programmatische Neuorientierung
(1971 –1984)

„Es gibt keine Probleme der Frau, die nicht auch zugleich Probleme der jeweiligen Gesellschaft wären.“
(Helga Wex)

Auf dem 7. Bundesdelegiertentag der Frauenvereinigung im Februar 1971 in Lübeck- Travemünde wird Helga Wex zur Vorsitzenden gewählt. Zentralbegriff der mit ihr einsetzenden programmatischen Erneuerung ist das Prinzip der verantworteten Partnerschaft von Mann und Frau in allen Lebensbereichen. Mit den Themen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Teilzeitarbeit und Jobsharing, beruflicher Wiedereinstieg oder Anerkennung von Erziehungsleistungen in der Rentenversicherung geben die CDU-Frauen in den 70er Jahren eine Antwort auf den Wandel des Frauenbildes in Familie und Gesellschaft. Sie beschreiten damit –in Zeiten des Frauenaufbruchs und der Frauenemanzipation mit zum Teil radikalen, polarisierenden Auseinandersetzungen –einen neuen, konstruktiven Weg.

Auf Initiative der Frauenvereinigung wird 1973 die Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages eingerichtet, die den Auftrag erhält, Vorschläge zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau in Staat und Gesellschaft zu erarbeiten. Auf dem 9. Bundesdelegiertentag 1975 verabschiedet die Frauenvereinigung ein Grundsatz- und Aktionsprogramm, das sog. „Dortmunder Programm“, das die programmatischen Aussagen weiterentwickelt und deren Grundsätze auf dem Bundesparteitag der CDU in Mannheim im gleichen Jahr einstimmig verabschiedet werden. Ein großer Erfolg. In Helmut Kohl und Heiner Geißler finden die Unionsfrauen Befürworter ihres Gleichberechtigungskonzeptes, das sich insbesondere der sozialen Sicherung der Frau (Stichwort „Partnerrente“) und der Anerkennung der Erziehungsarbeit annimmt. Die Frauenvereinigung erhält zudem das Antragsrecht auf Bundesparteitagen. Im Aktionsprogramm „Wahlfreiheit sichern – Partnerschaft verwirklichen“ schreibt sie 1978 das Dortmunder Programm fort. Darin heißt es:

„Die Emanzipation der Frau, verstanden als Befreiung von der Familie und als Freiheit durch Erwerbstätigkeit, hat in eine Sackgasse geführt. Die CDU setzt dagegen ihren Begriff Partnerschaft, der es Mann und Frau erlaubt, sich frei nach den eigenen Fähigkeiten und innerhalb der gesellschaftlichen Möglichkeiten zu entfalten. Deshalb fordert sie Wahlfreiheit. Die jeweils getroffene Wahl ist im Prinzip gleichwertig. So fügt sich die Politik der CDU für die Frau in ihre Gesellschaftspolitik ein. Das Prinzip der Partnerschaft ist für die CDU durchgehend gestaltetes Prinzip in der Gesellschafts-, in der Wirtschafts- und Außenpolitik.“

1979 initiiert die Frauenvereinigung die Gründung eines wissenschaftlichen Instituts „Frau und Gesellschaft“, das 1982 in Hannover eingerichtet wird und sich unter der Leitung von Rita Süssmuth zu einem Zentrum zur Förderung der Gleichberechtigung entwickelt. 1980 veröffentlicht sie ein „10-Jahres-Programm zur Durchsetzung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau“. Dieses orientiert sich an der Entscheidungsfreiheit von Mann und Frau, ihre Rolle in Gesellschaft, Ehe und Familie selbstverantwortlich zu gestalten, und an der gemeinsamen wahrgenommenen Verantwortung beider innerhalb der Familie. 1981 schließen sich die Parlamentarierinnen der CDU/CSU-Fraktion zur „Gruppe der Frauen“ zusammen. Dass die CDU die Verwirklichung der Gleichberechtigung voranbringen will, beweist sie auch mit dem Arbeitsprogramm „Aufgaben der 80er Jahre“, das sie auf dem Bundesparteitag Anfang 1981 in Mannheim beschließt. Darin wird dieses Ziel ausdrücklich betont. Auch Helmut Kohl bekennt sich nach der Regierungsübernahme im Oktober 1982 erneut dazu, dass Gleichberechtigung selbstverständlicher werden muss:

„Unsere freiheitliche Gesellschaft kennt kein bestimmtes Leitbild der Frau, weder das der Hausfrauen noch das der berufstätigen Frau. Immer mehr Frauen sehen im Beruf einen ebenso selbstverständlichen Teil ihrer Lebensplanung wie in der Familie.“

Es ist das Verdienst der führenden Persönlichkeiten der Frauenvereinigung, dass die theoretischen und programmatischen Grundlagen für die Stellung der CDU zu Frauenfragen fest umrissen sind. Sie sind auch das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit der Unionsfrauen mit der Bundespartei und ihren Generalsekretären (zunächst Kurt Biedenkopf, später Heiner Geißler). 1984 stellt die Frauenvereinigung das Thema „Junge Frauen und CDU“ in den Mittelpunkt ihrer Diskussion, da diese Gruppe der CDU als Wählerreservoir zunehmend verloren geht und deren neuem Selbstverständnis die Bundespartei stärker Rechnung tragen muss.


Der Durchbruch
(1985 –1990)

„Eine große Volkspartei wie die CDU kann es sich nicht leisten, die Bedürfnisse, die Lebensperspektiven von Frauen zu ignorieren.“
(Heiner Geißler)

Als erste der großen Volksparteien Deutschlands führt die CDU vom 20. –22.März 1985 in Essen einen Bundesparteitag durch, der sich ausschließlich mit der Lebenssituation von Frauen beschäftigt. Heiner Geißler macht das Thema „Frau und Gesellschaft“ zur zentralen Thematik der Gesellschaftspolitik der CDU und zum Schwerpunkt dieses Parteitages. Hier gelingt den Frauen in der Union der entscheidende Durchbruch; er ist zugleich Höhepunkt der Ära Wex. Die in Essen verabschiedeten „Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau“ sind ein überzeugendes Dokument für den Willen der CDU, die Benachteiligungen der Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft abzubauen und ihnen die gleichen Chancen wie den Männern einzuräumen. In der Präambel heißt es:

„Die immer noch bestehende Benachteiligung vieler Frauen im Lebensalltag widerspricht dem Auftrag des Grundgesetzes und ist mit den Prinzipien christlich demokratischer Politik nicht vereinbar. Ohne den Sachverstand und die Kreativität der Frauen kann unsere Gesellschaft die Herausforderungen nicht bestehen, die an eine moderne und humane Industrienation gestellt werden. Die CDU ist davon überzeugt, dass das Ziel einer Gesellschaft mit menschlichem Gesicht nur erreicht werden kann, wenn Frauen auf allen Ebenen und in allen Bereichen an verantwortlicher Stelle mitwirken.“

Wahlfreiheit für Männer und Frauen in Familie und Beruf, das ist die zentrale Forderung, für deren Verwirklichung die Politik die Rahmenbedingungen schaffen soll. Die baldige Einführung eines Erziehungsgeldes, flexible Arbeitszeiten und qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze, der Abbau der Frauenarbeitslosigkeit, Bekämpfung von Diskriminierung sowie Frauenförderpläne und die Einrichtung von Gleichstellungsstellen werden als konkrete Aufgaben formuliert.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die innerparteiliche Gleichstellung der Frau:

„Es ist die gemeinsame Aufgabe von Männern und Frauen, das krasse Missverhältnis zwischen der Mitgliederstärke der Frauen in Parteien und der Zahl weiblicher Mandats- und Funktionsträger zu beseitigen. Der Parteitag fordert den Bundesvorstand auf, Vorschläge zu erarbeiten, wie der Einfluss der Frauen in der CDU gestärkt werden kann.“

Das Echo, das der Essener Parteitag in der Öffentlichkeit findet, ist groß – und (überwiegend) positiv. Ein Kommentar des Bayerischen Rundfunks:

„Was die CDU da mit ihren Leitsätzen zur Rolle der Frau in Familie, Beruf und Politik zu Stande gebracht hat, verdient uneingeschränkte Bewunderung. Ausgerechnet die konservative CDU hat sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die den Frauen neue Perspektiven eröffnet. Die Union hat viel von dem Spießer-Parfüm verloren, das manchmal bei ihr zu schnuppern war.“

Dass das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit 1986 zum Ministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit umgebildet wird, zeigt die zunehmende Verankerung der Frauenpolitik in der Bundesregierung. Im gleichen Jahr werden mit der Einführung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub sowie mit der Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rente lange geforderte Verbesserungen für Frauen gesetzlich geregelt. Zudem wird das Kindergeld deutlich erhöht, und die Hilfen für Alleinerziehende werden ausgebaut. Auf Initiative von Roswitha Verhülsdonk richtet die Bundesregierung die Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ ein, die unbürokratische Hilfe für Frauen in Notlagen bereithält.

Nach dem Tod der langjährigen, erfolgreichen Vorsitzenden Helga Wex im Januar 1986 wird auf dem 15. Bundesdelegiertentag der Frauenvereinigung im Juni des gleichen Jahres in Bonn Rita Süssmuth zur Vorsitzenden gewählt, die das Werk ihrer Vorgängerinnen konsequent fortsetzt. Die Gestaltung einer familienfreundlichen Arbeitswelt, der Ausbau familienergänzender Kinderbetreuung und die politische Beteiligung der Frauen auf allen Ebenen –so lauten die vorrangigen Arbeitsschwerpunkte der Frauenvereinigung in der zweiten Hälfte der 80er Jahre. Auch das Thema „Absicherung des Pflegerisikos“ gewinnt an Bedeutung.

Auf dem Bundesparteitag der CDU 1986 in Mainz spricht sich die CDU gegen eine Quotenregelung und für den Weg der Überzeugungsarbeit aus und verabschiedet den sog. „C3-Beschluss“, der die Beteiligung der Frauen an Ämtern und Mandaten entsprechend ihrem Mitgliederanteil anstrebt. Diese Grundeinstellung zur Selbstverpflichtung wird auf dem Bundesparteitag in Wiesbaden 1988 erneut bestätigt. Die „Wiesbadener Richtlinien“ formulieren Regeln für die Aufstellung von Kandidatinnen und legen u.a. fest, dass auf allen Wahlparteitagen der CDU Gliederungen über den Stand der Beteiligung von Frauen an Ämtern und Mandaten berichtet werden muss. So soll die innerparteiliche Gleichstellung vorangebracht werden, obgleich die Widerstände in der Partei nicht gering sind. Tatsächlich aber hat sich nach 1988 die Zahl der Frauen, die bereit sind, auf kommunaler Ebene, auf Landes- oder Bundesebene zu kandidieren, deutlich erhöht.

Auf dem 16. Bundesdelegiertentag am 20./21. Februar 1988 in Bonn, der unter dem Motto „Leben wagen – Zukunft gewinnen“ das Thema „Politik und Ethik“ aufgreift, erfolgt die Umbenennung der Frauenvereinigung in „Frauen Union der CDU“. Im gleichen Jahr noch beschäftigt sich die Frauen Union auf dem Kongress „Für Kinder bleibt noch viel zu tun“ mit den Bedürfnissen von Kindern und einer kinderfreundlichen Gesellschaft. Im Rahmen der Aktion „Kleine Hände“ engagiert sie sich vor Ort und setzt ihren Grundsatz „Helfen statt Strafen“ in die Tat um.
 

Deutsche Einheit, Quote, Zukunftsfragen
(1990 bis 2001)

„Meine Botschaft ist: Wir mischen uns ein. Wir tragen Blessuren davon. Aber wir sagen Ja zu unserem Land, zu unserer Gesellschaft.“
(Rita Süssmuth)

Der Fall der Mauer und die Deutsche Einheit stellen die Frauen Union vor neue, große Herausforderungen. Überall in der ehemaligen DDR helfen Frauen aus dem Westen bei der Gründung und beim Aufbau lokaler CDU-Frauengruppen. Am 24. Februar 1990 formiert sich in Berlin die „Deutsch-deutsche Frauen Union“, die im September des gleichen Jahres in Berlin-Weißensee gegründet wird. In dem Einladungsschreiben unter der Überschrift „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“ heißt es:

„Der vereinte Neubeginn in Deutschland muss so menschlich, friedlich und sozial wie möglich werden. Angesichts der Umbruchsituation dürfen Frauen nicht abwarten. Gerade sie haben in Krisensituationen der Geschichte immer wieder bewiesen, dass sie Herausforderungen mit wachsendem Bewusstsein meistern können.“

Am 19. Oktober 1991 entsteht durch den Beitritt der Landesverbände der neuen Bundesländer auf dem 18. Bundesdelegiertentag in Bonn die Frauen Union des geeinten Deutschland. Hier wird das Programm „Bausteine für die Einheit“ verabschiedet, das der Lebenssituation der Frauen aus Ost und West gerecht werden soll.

Im Einigungsvertrag von 1990 erhält der Gesetzgeber den Auftrag, „die Gesetzgebung der Gleichberechtigung von Mann und Frau weiter auszubauen“ und „die Rechtslage unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gestalten“. In der Verfassungsreform von 1994 kommt er dieser Aufgabe nach. Artikel 3 des Grundgesetzes wird um den Zusatz ergänzt, dass der Staat die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ fördert und „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ hinwirkt. Am 1. September 1994 tritt das Zweite Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, das die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit durch flexiblere Arbeitszeiten und Teilzeit erleichtert, größere Beschäftigungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen sichert, die Verbesserung der Chancengleichheit sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz regelt und die Berufung von Frauen in Gremien des Bundes vorschreibt.

In den 90er Jahren werden zahlreiche Gesetze verabschiedet, die die Gleichberechtigung voranbringen und die zu einem großen Teil dem Engagement der Unionsfrauen zu verdanken sind wie die Anrechnung von Pflegezeiten in der Rentenversicherung oder die eigenständige soziale Absicherung von Bäuerinnen. Der Neuregelung des Paragraphen 218, der künftig den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab dem 3. Lebensjahr sowie umfangreiche Leistungen in Konfliktsituationen sichert, gehen heftige Diskussionen durch alle Parteien hindurch voraus. 1997 wird Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt, und die Gesetze gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und gegen Frauenhandel werden verschärft.

Unzufrieden ist die Frauen Union mit der bisherigen Entwicklung der innerparteilichen Gleichstellung. Die Essener Leitsätze, die der Frauenpolitik einen entscheidenden Schub gegeben haben, konnten diesbezüglich nicht realisiert werden; die Selbstverpflichtung der Partei hatte nicht gegriffen. Vor allem die Bundesvorsitzende Rita Süssmuth fordert deshalb die Einführung einer Frauenquote, verankert im Parteistatut. Es folgt ein harter parteiinterner Kampf. Auf dem Bundespartei der CDU 1995 in Karlsruhe wird die Statutenänderung zunächst abgelehnt. Erst im darauf folgenden Jahr beschließt der Parteitag in Hannover mit großer Mehrheit das Drittelquorum –mit einer Befristung auf fünf Jahre und erst ab Kreisebene gültig. Auf dem Bundesparteitag der CDU Ende 2001 steht das Quorum nach Ablauf der fünf Jahre erneut zur Diskussion.

Am Anfang des Jahres 2000 sind 28,6 Prozent der Mitglieder des CDU-Präsidiums und 34,1 Prozent der Mitglieder des CDU-Bundesvorstandes weiblich. Zu Beginn der 14.Wahlperiode (1998 –2002) gehören 45 Frauen der CDU/CSU Bundestagsfraktion an; sie stellen damit 18,4 Prozent der insgesamt 245 CDU/CSU-Abgeordneten. Im Durchschnitt aller Fraktionen liegt der Frauenanteil insgesamt bei 30,9 Prozent. Zum Vergleich: Dem ersten Deutschen Bundestag gehören 1949 insgesamt 6,8 Prozent Frauen an. Die CDU/CSU-Fraktion stellt elf weibliche Abgeordnete, ein Anteil von 7,7 Prozent. Den niedrigsten Frauenanteil verbucht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der 6.Wahlperiode mit nur 5,6 Prozent. Seither ist er –mit Ausnahme der 10.Wahlperiode –kontinuierlich gestiegen.

Die großen Fragen der Zukunftsgestaltung stehen im Mittelpunkt der Arbeit der Unionsfrauen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Unter dem Motto „Der Zukunft wegen: anders leben“ beschäftigen sie sich 1995 mit nachhaltigem Wirtschaften und der Bewahrung der Schöpfung. Auch mit Themen wie Zukunft der Arbeit, Europa, aktive Bürgergesellschaft und einer Offensive für die Familie rüstet die Frauen Union sich für das neue Jahrhundert.

Die Arbeit der Frauen Union ist heute von alten ebenso wie von neuen Herausforderungen geprägt. Zum Teil unterscheiden sich die Themen der gegenwärtig aktiven Frauen nicht oder nur wenig von denen ihrer Vorgängerinnen. Aber auch viele neue Aufgaben stehen an. Dabei gilt nach wie vor ihr Engagement allen Frauen, älteren und jüngeren, erwerbstätigen wie nicht erwerbstätigen. Die Frauen Union beschäftigt sich mit Fragen der Gleichberechtigung, der Familien-, Sozial- und Gesundheitspolitik genauso wie mit Fragen der Menschenrechte, der Außen- oder Verteidigungspolitik. Und sie versteht Frauenpolitik als eine Querschnittaufgabe, als ein Thema, das in alle Politikfelder hinein gehört.

Beate Behrendt-Weiß
Frauen Union der CDU Deutschlands